Der Autor
Konrad Peter Grossmann, geb. 1958, Studium der Psychologie und Philosophie, Psychotherapeut, Lehrtätigkeit in Linz, Wien, Graz und Klagenfurt. Publikationen zu systemischer Psychotherapie und literarische Tätigkeit.
Konrad Peter Grossmann, geb. 1958, Studium der Psychologie und Philosophie, Psychotherapeut, Lehrtätigkeit in Linz, Wien, Graz und Klagenfurt. Publikationen zu systemischer Psychotherapie und literarische Tätigkeit.
Was wäre gewesen wenn? Wenn Hitler den Krieg gewonnen und die Hakenkreuzfahne auch nach dem Jahr 1945 über Europa geweht hätte. Der Roman schildert das Leben einer tschechischen Zwangsarbeiterin und eines Arztes in der Führerstadt Linz im Jahr 1976; Er erzählt vom Überleben im Angesicht von Diktatur und Gewalt, von Widerstand und Anpassung, von verbotener Liebe und der Sehnsucht nach Würde und Freiheit.
REZENSION
Was wäre gewesen, hätte Hitler den Krieg gewonnen?
Der Gallneukirchner Konrad Peter Grossmann entwirft in seinem Roman „Mutterland“ eine dunkle, aber starke Fiktion
von Christian Schacherreiter
Im Jahr 1976 zählt Linz 300.000 Einwohner. An der Nibelungenbrücke stehen die Statuen von Siegfried und Kriemhild. Tschechische Zwangsarbeiter Leben in Ghettos. Ehen zwischen Deutschen und Tschechen sind verboten. Das Petrinum ist keine katholische Schule, sondern eine politische Akademie der NSDAP. Der Reichskanzler heißt Wilhelm Böckmann. Sein Vorgänger Adolf Hitler ist 1966 eines natürlichen Todes gestorben, gegrüßt wird aber immer noch mit „Heil Hitler!“.
Die gespenstische Welt, die Konrad Peter Grossmann in seinem neuen Roman „Mutterland“ entwirft, ist glücklicherweise eine dunkle Fiktion. Sie beruht auf der These, das nationalsozialistische Deutschland habe vor den USA die Atombombe entwickelt und den Krieg gewonnen. Große Teile Europas werden von den Nazis beherrscht. Raub, Ausbeutung und Unterdrückung der slawischen Nationen gehören zur politischen „Normalität“. Die zwei zentralen Romanfiguren sind der „deutsche“ (eigentlich österreichische) Psychiater Thomas und die tschechische Krankenschwester Tereza. Thomas steht kurz vor einem Karrieresprung, seiner Berufung in die „Eugenische Kommission“. Er macht aber im Handlungsverlauf Erfahrungen, die seine unkritische Sicht auf die Machtverhältnisse grundlegend verändern.
Ein Psychiater namens Stifter
Zum einen ist es die verbotene Liebe zu Tereza, zum anderen die ebenfalls verbotene Lektüre eines Buchs mit dem Titel „Mutterland“. Dessen Autor ist ein gewisser Albert Stifter, mit dem gleichnamigen Adalbert weder verwandt noch verschwägert. Albert Stifter ist ein von Grossmann erfundener US-amerikanischer Psychiater, der unter dem Titel „Mutterland“ seine Memoiren veröffentlicht hat.
Darin schildert A. Stifter die Verbrechen von NS-Ärzten in Konzentrationslagern und einen – wie es Thomas scheint – fiktiven Kriegsverlauf, der mit Hitlers Selbstmord und dem Zusammenbruch des Dritten Reichs endet. Literarische Fiktion und historische Realität tauschen also in diesem Roman die Plätze. Ein starker Einfall!
Am Beispiel eines Attentats auf einen Ärztekongress in Linz thematisiert Grossmann ethische Probleme des antifaschistischen Widerstands, vor allem den Konflikt zwischen politischer Mission und privaten Gefühlen. Die Kausalkette, die letztlich die totale Tragödie verhindert, erweist sich als raffinierte Mischung aus Plan, Täuschung, beherzter Tat sowie unglücklichem und glücklichem Zufall. Alles hätte auch ganz anders kommen können. Der in Gallneukirchen lebende Autor, geboren 1958, ist hauptberuflich Psychotherapeut, was der Überzeugungskraft seiner Figuren zugutekommt. Als Romancier ist er ein später Quereinsteiger. Seit 2019 hat er vier voluminöse Romane mit historischen Stoffen veröffentlicht, „Mutterland“ ist sein gattungsästhetisch reifstes Werk. Grossmann hat die Handlungsfäden konsequenter gestrafft als in früheren Romanen und sorgt mit Perspektivenwechseln und Gestaltungselementen des Politkrimis für anhaltende Spannung.
Oberösterreichische Nachrichten, 25.4.2025